Gefühle fühlen – wie geht das eigentlich?

Exkurs Gefühle fühlen: Bei der Untersuchung von Wunsch und Widerwillen arbeiten wir mit Körperempfindungen. Aber was sind Körperempfindungen eigentlich und wie können wir sie fühlen?

Was manchen sehr leicht gelingt, kann für andere eine große Herausforderung sein. Nicht jeder nimmt seine Körperempfindungen überhaupt wahr. Nicht jeder ist es gewohnt, Gefühle einfach zuzulassen. Gerade wenn es sich um unangenehme Empfindungen handelt, haben wir eher gelernt sie zu unterdrücken oder zu ignorieren.

Gefühle fühlen

Gefühle, Emotionen, Körperempfindungen – was ist das eigentlich?
Es gibt viele verschiedene Definitionen dieser Begriffe.

Im Kontext von Wunsch und Widerwillen ist es Folgende:

Ein Gefühl ist eine Körperempfindung + Name.
Emotion ist einfach ein anderer Name für Gefühl.
Beiden Begriffen zugrunde liegen Körperempfindungen.

Wollen wir also Gefühle fühlen, müssen wir die Körperempfindungen spüren.

Kindern fällt es sehr leicht zu fühlen. Die Emotion fließt schnell durch den Körper und so können sie eben noch weinen und einen Augenblick später laut lachen.

Im Laufe der Zeit lernen wir allerdings aus den verschiedensten Gründen, dass es besser ist manche Gefühle lieber nicht zu zeigen und versuchen dann sie am besten auch gar nicht erst zu fühlen.

Ich bin keine Psychologin oder Psychotherapeutin und spreche hier aus meiner eigenen Erfahrung.

Dadurch, dass wir Gefühle unterdrücken oder ignorieren, fließen sie nicht mehr einfach durch den Körper, sondern setzen sich irgendwo fest. Diese festsitzenden Gefühle sind oft verknüpft mit schmerzhaften Geschichten, die immer wieder getriggert werden können und zu Reaktionen führen, die dann ebenfalls schmerzhaft sind. Bei dem einen mehr. Bei dem anderen weniger. Es können sich also tiefe emotionale Verletzungen im Körper festsetzen, die vielleicht nur mit professioneller Hilfe geheilt werden können.

Scheue dich also nicht davor, dir Hilfe zu suchen, wenn du mit diesen Verletzungen nicht alleine klarkommst.

Auf dem Weg durch die 10 Fesseln – und gerade in der Fessel Wunsch und Widerwillen – werden wir auf viele dieser Verletzungen stoßen. Auf dem Weg zum Erwachen und auch noch danach, werden sie sich alle zeigen und gefühlt werden wollen. Das kann zunächst sehr schmerzhaft sein – und dann sehr befreiend.

Gefühle sind nicht Gedanken

Ganz wichtig ist es zu verstehen, bzw. zu erleben, dass Gefühle keine Gedanken sind!

Gefühle sind im Körper – nicht im Kopf. Wir werden mit Nachdenken nichts erreichen.

Um Gefühle zu fühlen, ist es nicht wichtig zu verstehen, woher die Gefühle kommen, was sie auslöst, welche Geschichten hinter ihnen stecken. Wir analysieren sie nicht, therapieren sie nicht, machen sie nicht größer oder kleiner. Dies hier ist keine Therapie. Es geht einzig ums Fühlen.

Nochmal, weil das so wichtig ist und oft nicht beachtet wird, weil wir so sehr dazu neigen unsere Gefühle zu erklären und zu analysieren: Es geht nur ums Fühlen!

Und auch nochmals: Sollten die Gefühle zu stark sein und du sie schwer oder gar nicht aushalten kannst, dann ist es angebracht Hilfe, zum Beispiel in Form einer Therapie, in Anspruch zu nehmen.

Gefühle sind im Körper

Gefühle sind im Körper, vielleicht sind sie sogar der Körper selbst. Es sind Empfindungen, wie Anspannung, Entspannung, Zug, Druck, Wärme, Kälte, Kribbeln, Taubheit, Enge, Weite,..

Versuche diese Körperempfindungen zu fühlen:

Setze oder lege dich entspannt hin. Schließe die Augen. Atme tief ein und wieder aus. Jetzt lenke deine Aufmerksamkeit dorthin, wo du (im Körper) eine Anspannung spürst. Vielleicht im Nacken, oder in den Schultern? Dann frage dich: Was ist das für ein Gefühl? Welchen Namen hat diese Empfindung? Denke nicht darüber nach. Warte ab. Beobachte. Es werden vielleicht Gedanken, in Form von inneren Bildern oder Geschichten, erscheinen und die Körperempfinung zu erklären versuchen, zu analysieren. Lasse diese Gedanken da sein, lasse sie vorbeiziehen, beachte sie nicht weiter. Lenke deine Aufmerksamkeit immer wieder auf das Spannungsgefühl. Wenn kein Name für die Empfindung auftaucht, ist das okay.

Danach suche auch die anderen Empfindungen im Körper:

Lenke deine Aufmerksamkeit dorthin, wo du Druck spürst, dann dorthin, wo du Wärme spürst, usw.

Mit der Zeit wirst du lernen Körperempfindungen (wieder) zu spüren und sie zuzulassen.

Du kannst dabei nichts richtig oder falsch machen, du machst es einfach so, wie du es machst. Falls es dir nicht gelingt Körperempfindungen auf diese Weise zu spüren oder Gefühle zu fühlen, dann ist das okay. Dann ist es einfach nicht die Methode, die für dich die richtige ist.

Gefühle zulassen

Wir bemerken, dass Körperempfindungen immer da sind. In jedem Moment. Mal mehr, mal weniger stark. Je mehr Übung wir darin bekommen, sie zu spüren, je öfter wird es vorkommen, dass auch alte Emotionen, die irgendwo im Körper feststecken, zu spüren sind.

Wenn das passiert, versuchen wir ihnen so viel Raum zu geben, wie (gerade) möglich. Vielleicht können wir kurz innehalten und ihnen Aufmerksamkeit schenken? Schauen nach, wo (im Körper) sie sind, wie sie sich anfühlen – also welche Körperempfindungen zu spüren sind.

Es ist ganz normal, wenn uns das manchmal zu viel ist, wenn wir vielleicht Angst bekommen vor diesem alten, schmerzhaften Gefühl. Wir versuchen dann einfach die Empfindung für einen kurzen Augenblick zu fühlen und sind dankbar dafür und stolz auf uns. Beim nächsten Mal fühlen wir sie dann vielleicht schon einen Augenblick länger. So wird die Angst vor dem Gefühl langsam weniger.

Eine schmerzhafte Empfindung auch nur für einen kleinen Moment fühlen zu können, ist eine tolle Sache!

Geh es langsam an, nimm dir ausreichend Zeit und höre auf, sobald es anstrengend oder zu unangenehm wird. Aufhören kannst du, indem du deine Aufmerksamkeit auf etwas anderes richtest. Zum Beispiel auf’s Sehen. Hebe den Kopf, mach die Augen auf und schaue, was es um dich herum zu sehen gibt.

Beispiel

Ich spüre plötzlich eine Anspannung. Einen Druck. Ich bleibe stehen. Halte inne. Es ist irgendwo in der Magengegend. Es ist schwer. Bedrückend. Innere Bilder tauchen auf. Eine diffuse Geschichte. Eine Erinnerung. Jetzt fühle ich mich müde, total k. o. Da ist so eine Schwere. Ich lasse sie da sein. Halte es einen Moment aus, sie zu spüren. Es ist Traurigkeit. Ja, ich bin traurig! Was will die Traurigkeit? Möchte sie mir etwas sagen?

Wut, Ärger, Frust

Es gibt einen Unterschied dazwischen Gefühle zuzulassen und Gefühle auszuagieren. Uns abzureagieren, wenn wir zum Beispeil wütend auf ein Kissen einschlagen, schreien, oder im Streit Türen zuschlagen, hat mit dem Fühlen von Gefühlen und sie zuzulassen nichts zu tun. Denn dies sind Reaktionen, die das ursprüngliche Gefühl überdecken und damit unterdrücken.

Auch wenn wir versuchen unsere Wut zu kontrollieren, unterdrücken wir das zugrunde liegende Gefühl und es ist uns nicht möglich es zu spüren.

Lernen wir also auch Wut, Ärger oder Frust auszuhalten und zu fühlen.

Wenn die Wut aufsteigt, setze oder lege dich entspannt hin. Schließe die Augen. Atme tief ein und wieder aus. Jetzt lenke deine Aufmerksamkeit dorthin, wo du (im Körper) die Wut spürst. Wie fühlt sich Wut an? Welche Empfindungen sind zu spüren? Dann frage dich: Was will die Wut? Warte ab, beobachte. Natürlich werden sofort Gedanken erscheinen und die Wut zu erklären versuchen, zu analysieren. Lasse diese Gedanken da sein, lasse sie vorbeiziehen, beachte sie nicht weiter. Lenke deine Aufmerksamkeit immer wieder auf das Wutgefühl.

Kopfmenschen

Wenn wir lernen bestimmte Gefühle nicht mehr zu zeigen, entwickeln wir Vermeidungsstrategien oder sogar Überlebensstrategien. So können wir zum Beispiel vor den Empfindungen quasi aus dem Körper in die Gedanken flüchten. Einfach weil wir Angst davor haben, bestimmte Gefühle zu fühlen.

Auch Kopfmenschen können lernen Gefühle wieder zu fühlen. Vielleicht mit etwas mehr Geduld. Kopfmenschen können Körperübungen, wie Dehnübungen, machen. Sie helfen wieder Kontakt zu den Körperempfindungen zu bekommen. Wenn wir zum Beispiel den Nacken dehnen, entsteht dort ein Spannungsgefühl. Wenn wir die Hände aneinanderpressen, entsteht ein Druckgefühl, usw. So lernen wir, wie sich die Empfindungen anfühlen und können nach den Dehnübungen (im Körper) auf die Suche gehen, ob wir dort Anspannung, Druck, Wärme, usw. finden.

Trigger

So genannte Trigger wecken unterdrückte Gefühle zum Beispiel aus der Kindheit in uns. Jemand erinnert uns vielleicht an unseren Vater oder unsere Mutter. Oder die Situation, die wir gerade erleben, erinnert uns an eine bestimmte, vielleicht schmerzhafte, Situation. Diese Erinnerungen sind mit Gefühlen verbunden, die wir damals nicht zugelassen haben, nicht zulassen konnten oder durften.

Wir können diese Trigger als Einladung sehen uns diese Gefühle nochmals anzusehen, sie zuzulassen, sie zu fühlen.

Manche sagen, dass uns das Leben so oft triggert, bis wir uns diese Emotion angesehen, zugelassen und gefühlt haben. Wir sollten also versuchen, uns ihnen zu stellen. Das bedeutet, zu versuchen sie nicht länger zu ignorieren und sie stattdessen zu fühlen.

Untersuchung

Wenn wir diese Trigger finden und bereit sind die Empfindungen zu fühlen, können wir sie nehmen, um Wunsch und Widerwillen zu untersuchen.

Diese Untersuchung läuft dann etwas anders ab, doch der erste Schritt ist, Körperempfindungen spüren zu können.



Wunsch und Widerwillen sind die tiefgreifendsten Fesseln. Es sind die Annahmen wir hätten den Hang nach angenehmen Empfindungen und den Hang, alle unangenehmen Empfindungen vermeiden zu wollen.